Fundstück der Woche

In unserem Fundstück der Woche schreiben wir regelmäßig über kleine und große Meldungen aus dem Bereich der Politik, Musik oder Literatur.


Achtung: Dieses Fundstück der Woche beschäftigt sich mit emotionaler und psychologischer Misshandlung, häuslicher Gewalt und Vergewaltigung.

Am 12. Februar kommt die Verfilmung des „Erotik-Klassikers“ 50 Shades of Grey ins Kino - Gerade rechtzeitig für große Valentinstagsspezialvorführungen und noch mehr „die größte Liebesgeschichte des Jahres“ und „so findest du deinen eigenen Christian Grey“ – Gehype. Dabei sollte mensch die „50 Shades“- Trilogie durchaus kritisch sehen. Mehrere Organisationen, die sich gegen häusliche Gewalt und Misshandlung aussprechen, haben zu einem Boykott gegen den Film aufgerufen, unter anderem mit dem Hashtag „#50dollarsnot50shades“, der dazu aufruft, 50 Dollar an Frauenschutzhäuser und andere Organisationen zu spenden. Aber warum?

Blogger_innen, Feministinnen und Aktivist_innen haben lautstark immer wieder kritisiert, dass in der „50 Shades“ - Trilogie häusliche Gewalt und Misshandlungen normalisiert werden. Christian Grey würde Anastasia Steele immer wieder misshandeln, ohne dass es in der Trilogie jemals so benannt oder gar kritisiert wird.

Die meiner Meinung nach beste Zusammenstellung der Momente, in denen Christian Grey auf verschiedenste Weise Gewalt gegen Anastasia anwendet, findet man auf dem Blog „theramblingcurl.wordpress.com“ und dieser Blogeintrag mit dem Titel „50 Abusive Moments in 50 Shades“ (lose übersetzt etwa: 50 Misshandlungs - Momente in 50 Shades) ist das heutige Fundstück der Woche.

Was für missbräuchliche Momente gibt es also in 50 Shades of Grey?

Stalking – Es gibt mehrere Szenen, in denen Christian Grey bereits vor dem „offiziellen“ Beginn seiner Beziehung mit Anastasia unerwartet an Orten auftaucht, an denen sie ebenfalls ist, obwohl er dafür keinen Grund hat. So fährt er bereits im zweiten Kapitel des ersten Buches mehrere hundert Kilometer, um sie auf Arbeit zu besuchen – obwohl sie ihm nicht gesagt hat, wo sie arbeitet. In einer späteren Szene ruft Anastasia ihn betrunken aus einem Club heraus an. Christian verlangt wütend, zu erfahren, wo sie ist, und, als sie sich weigert, ihm zu antworten und auflegt, ortet er Anastasia über ihr Handy und taucht in besagtem Club auf. Zu diesem Zeitpunkt sind die beiden nach wie vor nicht in einer irgendwie gearteten Beziehung. Außerdem stellt sich im Laufe des Buches heraus, dass Christian Grey Anastasias Adresse, Bankdaten, vertrauliche medizinische Informationen und Adressen von Anastasias Familienmitgliedern kennt, ohne dass sie ihm diese gegeben hätte. Aber der vermutlich heftigste Fall von Stalking kommt vor, als Anastasia Abstand wünscht und ihre Mutter in Georgia besuchen fliegt, um in Ruhe entscheiden zu können, wie ihre Beziehung mit Christian weiter gehen soll. Nicht nur, dass Christian heimlich ihren Flug umbucht, damit sie erste Klasse fliegen kann, nicht einmal 24 Stunden nachdem er ihr versprochen hat, ihr Abstand zu geben, taucht er unangekündigt bei ihrer Mutter zu Hause auf.

Kontrollierendes und besitzergreifendes Verhalten – In mehreren Szenen zeigt sich Christian als besitzergreifend und kontrollierend Anastasia gegenüber und isoliert sie unter anderem bewusst von ihren Freunden und ihrer Familie. So hat er einen Wutanfall, als ein männlicher Freund Anastasia anruft und überredet Anastasia, eine Verschwiegenheitserklärung zu unterzeichnen, damit sie mit niemandem über ihre Beziehung zu Christian sprechen kann. In einer späteren Szene befiehlt er ihr, die Pille zu nehmen und, als sie ihn daran erinnert, dass es ihr Körper ist, antwortet er: „Und auch meiner“. Er kauft den Verlag, in dem sie nach ihrem Uniabschluss zu arbeiten beginnt, damit er sie auf Arbeit kontrollieren lassen kann und als in einer Galerie mehrere großflächige Fotos von ihr veröffentlicht werden, kauft Christian alle, damit „kein anderer Mann sein Eigentum beglotzen kann“. Nachdem er Anastasia in den Club gefolgt ist, in dem sie mit ihren Freund­­­_innen feiert, nimmt er die betrunkene Ana mit in sein Hotelzimmer, obwohl sie ihn an diesem Abend nicht sehen wollte, damit ihr nichts passiert. Außerdem ist in ihrem Beziehungsvertrag festgeschrieben, dass Christian Anastasia jederzeit fallen lassen kann, sie aber darum bitten muss, aus der Beziehung entlassen zu werden und Christian die Erfüllung dieser Bitte verweigern kann.

Emotionale Manipulation – In mehreren Szenen manipuliert Christian Anastasia gezielt, damit sie genau das tut, was er will. So sagt er ihr bereits ganz am Anfang ihrer Beziehung, er sei gefährlich und sie solle sich von ihm fernhalten. Das ist eine klassische Taktik, die dafür sorgen soll, dass Anastasia viel zu fasziniert ist, um auf Abstand zu gehen, und sich außerdem geschmeichelt von seiner Aufmerksamkeit fühlt. Später gibt Anastasia sich selbst die Schuld, als es schlecht zwischen den beiden läuft, weil sie sich nicht an seine Warnungen gehalten hat, anstatt Christian Grey für sein Verhalten anzukreiden. In einer späteren Szene erzählt Christian Anastasia von seiner schlimmen Vergangenheit, die er als Rechtfertigung für sein Verhalten nutzt. Anastasia müsse deshalb Verständnis für ihn zeigen – ein weiterer Grund, aus dem sie sich nicht traut, sein Verhalten zu kritisieren. Und wann immer Anastasia nicht genau das tut, was Christian von ihr verlangt, wird er wütend und zieht sich zurück, ohne ihr irgendeine Erklärung zu geben. Erst wenn sie haargenau seinen Wünschen entspricht, zeigt er ihr gegenüber wieder Zuneigung, so dass sie sich wieder gewollt fühlt und vor Glück darüber nicht weiter darüber nachdenkt.

Erzwungene Zustimmung – Circa im sechsten Kapitel erklärt Christian Anastasia, dass sie einen BDSM - Vertrag unterzeichnen soll, um mit ihm als seine permanente Submissive zusammen zu sein. Mehrere Kapitel lang ist Anastasia sich dann nicht sicher, ob sie diese Beziehung überhaupt möchte. Schließlich unterzeichnet sie den Vertrag zehn Kapitel später – allerdings erst, nachdem Christian sie bewusst betrunken gemacht hat. Er gibt dies auch offen zu. Angeblich war er der Meinung, sie würde nur dann ehrlich mit ihm kommunizieren. Dabei ist klar, dass die unerfahrene und betrunkene Anastasia dann leichter zu manipulieren ist, so dass er sie dazu überreden kann, den Vertrag zu unterzeichnen und eine permanente D/s – Beziehung mit ihm einzugehen. Eine betrunkene und noch dazu unter emotionalem Druck gegebene Zustimmung zählt dabei aber eigentlich nicht – Anastasia ist in keinem Zustand, in dem sie der Beziehung freiwillig und gut informiert zustimmen kann.

Androhung von (physischer) Gewalt – In mehreren Szenen, bereits lange bevor Anastasia einer BDSM – Beziehung oder überhaupt irgendeiner Art von Beziehung zugestimmt hat, droht Christian ihr mit körperlicher Gewalt. Nachdem Anastasia mit ihren Freund_innen ausgegangen war und sich weigerte, Christian ihren Aufenthaltsort zu verraten, sagt Christian ihr: „Wenn du mein wärst, könntest du nach dem, was du gestern abgezogen hast, eine Woche lang nicht sitzen“. In einer späteren Szene, noch bevor Anastasia den Vertrag unterzeichnet hat, essen die beiden in einem Privatraum in einem Restaurant. Als Anastasia erklärt, sie wäre lieber in der Öffentlichkeit, fragt Christian, ob sie ernsthaft glaubt, das würde ihn aufhalten. In einer anderen Restaurantszene isst Anastasia Christians Meinung nach nicht genug, so dass er ihr droht, sie übers Knie zu legen. Dabei macht er explizit klar, dass es ihm dabei nicht um sexuelle Erregung gehen würde, sondern nur darum, ihr weh zu tun und sie damit zu bestrafen. Als Anastasia scherzhaft versucht, ihn eifersüchtig zu machen, nachdem er ihr sie ohne ihr Wissen in die erste Klasse gesetzt hat, droht Christian an, sie das nächste Mal in einer Kiste im Laderaum transportieren zu lassen und sich auf seine spezielle Weise um sie zu kümmern.

Vergewaltigung/ sexualisierte Gewalt – Im 12. Kapitel ist Anastasia sich sicher, dass sie es nicht aushalten würde, permanent Christians Submissive zu sein und erklärt ihm in einer E-Mail, dass sie das Ende ihrer bisherigen Beziehung und keinen weiteren Kontakt mehr zu ihm wünscht. Christian taucht daraufhin bei ihr zu Hause auf und wirkt so wütend, dass Anastasia beginnt, nach einer Fluchtmöglichkeit aus ihrem Zimmer zu suchen. Er beginnt, sie zu verführen und die beiden landen auf Anastasias Bett. Dann wird ihr klar, dass sie keinen Sex haben, sondern lieber über ihre Beziehung miteinander reden möchte und sie teilt es ihm mit. Als er darauf nicht reagiert, probiert sie aktiv, ihn von sich runter zu bekommen und sagt „Nein“. Christians Reaktion: Er droht, er würde ihr die Füße zusammenbinden, wenn sie probiert, sich zu wehren und sie knebeln, würde sie probieren, Lärm zu machen. Weil Anastasia den Sex aber später genießt, ist das alles überhaupt kein Problem.

Ist es aber doch. „50 Shades of Grey“ ist ein massiv bekanntes und beliebtes Buch, dessen Erscheinen Tonnen von Artikeln darüber, was „Männer von Christian Grey lernen können“ nach sich zog. Es ist eine Trilogie, die jungen Mädchen geschenkt wird. Menschen spielen Szenen aus dem Buch nach. Es gibt Datingseiten, auf denen mensch seinen eigenen Christian Grey finden kann.

Dabei erhält „50 Shades“ gefährliche Mythen über Missbrauch im Leben, zum Beispiel den „Er weiß gar nicht, was er tut! Er wurde traumatisiert und das ist seine Art, damit umzugehen; es ist nicht seine Schuld“ – Mythos oder den „Aber sie kommt doch immer wieder zu ihm zurück, also kann es nicht so schlimm sein“ – Mythos oder den „Aber sie wusste doch, worauf sie sich einlässt“ – Mythos.

Gerade emotionale und psychologische Misshandlung in Beziehungen wird immer wieder übersehen, obwohl sie zu den häufigsten Formen gehört. Fiktion beeinflusst, wie wir die Realität sehen und Christian Greys bedrohliches, kontrollierendes Stalker – Verhalten als romantisch und die größte Liebesgeschichte des Jahres zu verkaufen, kann (und meiner Meinung nach wird es) dafür sorgen, dass Misshandlungen dieser Art weiter unerkannt bleiben, sowohl von Bekannten der Betroffenen als auch von den Betroffenen selbst. Deshalb ist die Beliebtheit von 50 Shades so ein großes Problem und deshalb ist es notwendig, eine ernsthafte Konversation darüber zu führen.

(Den Orginalblogeintrag findet ihr übrigens hier: http://theramblingcurl.blogspot.de/2014/02/fifty-abusive-moments-in-fifty-shades.html
Weitere Infos sind hier: https://50shadesofabuse.wordpress.com/)



Gene Sharp: Von der Diktatur zur Demokratie – Ein Leitfaden für die Befreiung

Gene Sharp ist ein US-amerikanischer Politikwissenschaftler, der als Experte auf dem Feld des gewaltfreien Widerstandes und zivilen Ungehorsams gilt. Er wurde besonders durch seinen Einsatz für die Demokratiebewegung in Myanmar bekannt. Zur Unterstützung dieser schrieb er auch sein 1993 veröffentlichtes „Von der Diktatur zur Demokratie – Ein Leitfaden für die Befreiung“. Dieses Werk fasst in aller Kürze die wichtigsten Grundlagen solcher Aktionen zusammen. Es will ein „Lehrbuch zum gewaltfreien Sturz von Diktaturen“ – und damit das 1x1 des politischen Widerstandes sein. 
Neben allerhand Überlegungen zu Stärken und Schwächen von Diktaturen, zur besten Strategie des Widerstandes im jeweiligen Kontext sowie zum Aufbau einer dauerhaften Demokratie, findet man ebenso einen 200 Punkte umfassenden Katalog mit Methoden des gewaltlosen Widerstandes. Ob nun „härter und länger arbeiten als gefordert“ zum Sturz einer Diktatur beiträgt, sei einmal dahingestellt. Die schiere Anzahl der Aktionsformen ist aber überwältigend. Manche von ihnen liegen nahe, wie etwa Generalstreiks oder öffentliche Reden – für die bewusste Überlastung der öffentlichen Einrichtungen und Verwaltung oder „kollektives Verschwinden“ benötigt es jedoch mehr Kreativität. Auch kann man die Legitimität von z.B. Sozialboykott oder psychologischen Schikanen in Frage stellen. Sharp empfiehlt jedenfalls, sich aus all den Optionen eine innovative, an die Situation angepasste Aktionsstrategie zusammenzustellen.
Was hat das nun aber alles mit uns zu tun? Wir leben ja in keiner Diktatur, die wir stürzen müssen, sondern seit mittlerweile fast 70 Jahren in einer stabilen Demokratie – Ostdeutschland seit 25 Jahren – und es hat sich ja offenbar von eben einer Diktatur befreit. Das kann man so sehen. Man kann es aber auch so sehen, dass wir in einer Diktatur von Gewinnstreben und Profitlogik leben – und nicht nur das, sondern vielmehr in einer Diktatur des ungezügelten, von jeglicher Humanität losgelösten, unzählige Menschen unterdrückenden Kapitalismus. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem Menschenleben ohne Weiteres gegen Profit aufgerechnet werden, das Hin- und Herschieben virtueller Zahlen reale Armut verursacht und selbst der letzte Teil der Gesellschaft ökonomisiert werden muss. Es wäre also schon Zeit für eine Befreiung.
Gehen wir aber vorerst wieder einen Schritt zurück: zu Sharp. Es finden sich viele wichtige Punkte in seinen Ausführungen. Da ist beispielsweise die Notwendigkeit einer evidenten Vision zur Mobilisierung breiter Massen – oder auch die zwingende Organisation in nichtpolitischen zivilen Vereinen – und sogar der Aufruf, nicht mit den diktatorischen Mächten zu verhandeln, da diese so nur verlorengegangene Legitimität wiedererlangen können. Ferner betont er, dass keine revolutionäre Avantgarde der Basis Vorschriften machen darf oder sogar gegen diese agieren. Dass außerdem der politische Widerstand nicht allzu sehr vom geregelten Leben des Einzelnen abweichen sollte, zeigt vor allem, wie sehr sich Sharp auf praktische Aktionen konzentriert. Der wichtigste Ratschlag ist es aber, die „systemimmanenten Achillesfersen bewusst auszunutzen und zu verstärken, um so das System radikal zu verändern“. 
Bewegen wir uns also von Sharp weg und fragen danach, was eine solche Achillesferse sein kann. In Bezug auf den entgrenzten Kapitalismus müssen wir uns die Frage stellen, wo denn die Wurzel liegt. Ist es etwa eine globale Verschwörung des Bösen? Mitnichten. Es wird wohl kaum jemand ausfindig zu machen sein, der*die für die Schieflagen in der Welt verantwortlich ist – so wie es Verschwörungtheoretiker*innen gern tun. Ist es nicht vielmehr so, dass der*die Einzige ohnmächtig ist? Sind wir nicht alle nur kleine Rädchen in einer ungeheuer komplexen Welt, die geprägt ist, von uns bestimmenden Zwängen?
So unterliegt die Politik jedenfalls weithin Sachzwängen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Viele das Gefühl haben, mit ihrer Stimme ohnehin nichts verändern zu können. „Die machen doch alle nur dasselbe“ – eine Stammtischparole, in der viel Wahrheit steckt. Und der*die Topmanager*in eines multinationalen Unternehmens? Er*sie unterliegt wahrscheinlich vergleichbaren Zwängen. Wenn der zentrale Auftrag ist, Gewinn zu erwirtschaften, spielen moralische Überlegungen nur noch eine stark untergeordnete Rolle. Denn nur ein einziger Zwang bestimmt letztlich die kapitalistische Wirtschaft unseren Typs: Profitmaximierung.
Damit wären wir also bei der systemimmanenten Logik angelangt, die gleichzeitig die Achillesferse sein könnte. Der unbändige, stupide Zwang zur Profitmaximierung scheint die Schwäche des modernen Gesellschaftssystems zu sein. Folgt man Sharp, gilt es diese ausnutzen. Aber wie? Metaphorisch gesprochen, würde der Kapitalismus auch noch freigiebig das Seil verkaufen, womit man ihn aufhängt. Was jedoch besagtes Seil praktisch ist, bleibt vorerst eine offene Frage.

Gene Sharp. Von der Diktatur zur Demokratie. Ein Leitfaden für die Befreiung. Verlag C.H.Beck. 2008.


Mein Fundstück der Woche: Antispeziesismus von Matthias Rude
In die Sphäre des Natürlichen, die es zu beherrschen gilt, fallen traditionell nicht nur die zu beherrschende Frau und der zu unterjochende Fremde: Der Prozess der Zivilisation hatte auch die unbeschränkte ‚Versklavung der Kreatur‘ zur Folge; seit ihrem Aufstieg zeigt die Spezies Mensch sich den anderen Arten als ‚furchtbarste Vernichtung‘“ (Horkheimer, Adorno).
In dem 190-seitigen Büchlein Antispeziesismus schildert Matthias Rude die Grundlagen und die spannende historische Entwicklung der Tierrechtsbewegung, die „vor der Öffentlichkeit verborgen und systematisch unsichtbar gemacht“ wird. Theoretisch fundiert geht er davon aus, dass die Befreiung des Menschen und die Befreiung der Tiere miteinander einhergehen. Dabei existiert keine Priorität, denn das eine sei ohne das andere in einer emanzipierten Gesellschaft nicht möglich. Fleischessen sei auch nicht, wie häufig angenommen, dem Menschen „naturgegeben“, wie viele Traditionen des Hinduismus, Buddhismus, Janismus und des Christentums beweisen.
Rudes Argumentation ist in den Grundzügen materialistisch: Er geht davon aus, dass die Ausbeutung der Tiere wie die Ausbeutung der Menschen mit der ursprünglichen Akkumulation Anfang des 16. Jahrhunderts begann, als in England Bäuer_innen enteignet und Ackerland zu Schafweide gemacht wurde – laut Marx der Beginn der kapitalistischen Produktionsweise und der Ausbeutung der Arbeiter_innen.

Mit der Ausbeutung der Tiere und Menschen begann auch die Solidarität mit ihnen: Schon in der Englischen Revolution im 17. Jahrhundert galt Fleisch als Symbol des Adels und der Herrschenden. Der Verzicht auf jenes drückte Solidarität mit den unteren Schichten und dem „Arbeitstier“ aus. Während der englischen Besatzung Indiens, den Anfängen der Französischen Revolution und im Zuge der Anti-Sklaverei-Bewegung in den USA im 18. Jahrhundert gab es ähnliche Solidaritätsaktionen mit den Ausgebeuteten. Viele treibende Kräfte der Pariser Kommune waren Vegetarier_innen und stellten sich diese Lebensweise ebenfalls für die Kommune vor. Ebenso finanzierten die Mitglieder des historischen antifaschistischen Kampfbundes ISK, die alle Vegetarier_innen waren, ihren Widerstand gegen Hitler aus den Gewinnen von vegetarischen Restaurants in ganz Deutschland. Damit ist die historische Bedeutsamkeit der Tierrechtsbewegung nur in kleinen Teilen umrissen.
So beschäftigten sich auch zahlreiche historische Theoretiker_innen und Schriftsteller_innen schon früh mit dem ambivalenten Mensch-Tier-Verhältnis. Doch sind diese Gedanken heutzutage in Vergessenheit geraten oder nie gehört worden. Dabei gab es namhafte Vertreter_innen, wie unter anderem Pythagoras, Rousseau, John Stuart Mill, August Bebel, Tolstoj, Rosa Luxemburg, der Kritischen Theorie (Adorno und Horkheimer), die Tierquälerei anprangert haben oder sogar Vegetarismus/Veganismus als eine Lösung des Problems vorschlugen.
Matthias Rude sieht die Ursache der Ausbeutung der Tiere hauptsächlich in den ökonomischen Verhältnissen und kritisiert große Teile der heutigen vegetarisch/veganen Szene, die nicht nur wahnsinnig heterogen und teils zerstritten sind, sondern auch das Anliegen der Tierrechte eher aufgrund eines gewissen „Lifestyles“ heraus vertreten.
Alles in Allem: Ein wahnsinnig spannendes Buch, liest sich schnell und gut. Rudes recht materialistische Kritik ist natürlich diskussionswürdig. Dennoch war mir persönlich nicht bewusst, dass Tierrechtsbestrebungen nicht nur ein Resultat der heutigen westlichen „Luxusgesellschaft“ sind, sondern schon sehr lange Anliegen emanzipatorischer Bewegungen, wie der Frauen- und Arbeiter_innenbewegung waren. Die Bedeutung der Gleichrangigkeit von Rassismus, Sexismus und Antispeziesimus wird meines Erachtens nach in linken Kreisen häufig vergessen. Dieses Buch regt zur dringend notwendigen, erneuten Aufrollung des Themas an.
Alles, alles muß befreit werden, die Geschöpfe und die Welt, wer weiß, vielleicht die Welten? Wilde, die wir sind“ (Louise Michel, Vegetarierin und Anführerin der Frauenkampftruppen der Pariser Kommune).
Quelle: Rude, Matthias: 2013: Antispeziesismus. Schmetterling Verlag.


Fundstück der 19. Kalenderwoche - Uni-Protest und Nazis

(AG) Im Zuge der Proteste gegen die Kürzungen im Hochschulbereich tauchte in der vergangenen Woche ein Protest-Shirt auf, welches schnell Verbreitung vor allem unter Studierenden findet.
Der zugehörige Internet-Shop shirtzshop wird von Sven Liebich betrieben, einem zumindest früheren Kader der Hallenser Nazi-Szene. Bis 1999 betrieb er den Ultima-Tonträgervertrieb, einen der größten Neonazi-Vertriebe in der Bundesrepublik, den er aufgrund polizeilicher Repression aufgeben musste. Insbesondere sein Engagement für Blood & Honour und Combat 18 machte ihn bei seinen Kameraden in Sachsen-Anhalt bekannt. Zwischen 2000 und 2003 war Liebich Hauptorganisator der in Halle und Umgebung stattfindenden Nazi-Demonstrationen und unterhielt zudem zwei Nazi-Läden in Halle und Leipzig. Dies alles ist schon Grund, uns als SDS im Aktionsbündnis MLU - Perspektiven gestalten klar von seinen Aktivitäten in den aktuellen Kürzungsprotesten abzugrenzen.
Wichtiger ist für uns jedoch, dass Liebich nie öffentlich mit der rechten Szene gebrochen hat. Es gab nie Stellungnahmen oder Distanzierungen zu seinen Aktivitäten bis 2003 oder auch zu Straftaten, die in seinem Umfeld und im Zusammenhang mit seiner rechten Gesinnung begangen worden sind. Dass er auch „unpolitische“ oder angeblich „linke“ T-Shirt-Motive in seinem Shop vertreibt, ist für uns kein Grund, an eine Wandlung zu glauben oder ihn als „Aussteiger“ aus der rechten Szene zu bezeichnen. Vieler seiner T-Shirt-Motive sind nicht eindeutig als neonazistisch zu erkennen, insgesamt zeigt sich aber die Anlehnung an rechte Ideologiefragmente wie Verschwörungstheorien und Antisemitismus.
Wir verwehren uns daher gegen jegliche Unterstützung von seiner Seite, sei es durch Materialien, sei es durch finanzielle Mittel, die er beispielsweise dem Studierendenrat zu kommen lassen wollte. Das Angebot, die eingenommen Spenden doch einem Projekt gegen rechte Gewalt zu spenden, lehnte er ab, anscheinend gibt es da doch Kollisionen mit seinen persönlichen politischen Überzeugungen.
Wir lassen unseren Protest nicht von Nazis und Faschisten instrumentalisieren. Wir protestieren weiter, aber ohne T-Shirts und Aufkleber von Sven Liebich und seinem shirtzshop und wir rufen dazu auf, es uns gleich zu tun.

Weitere Infos zu Liebichs früheren Aktivitäten:


Fundstück der 15. Kalenderwoche - Gegen Honophobie!

(AW) Knapp einen Monat vor dem „Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie“, der seit 2005 jährlich am 17. Mai stattfindet, möchte ich in diesem Fundstück einige interessante Aktionen und Initiativen zum Thema vorstellen.

Vom bundesweiten Schulprojekt „Schule ohne Rassismus- Schule mit Courage“, das seit 1995 in Deutschland existiert, haben die meisten von uns sicher schon gehört. Aber haben Sie, werte LeserInnen, gewusst, dass es in Nordrhein-Westfalen seit 2008 an Schulen Projekte nicht nur zur Bekämpfung von Rassismus, sondern auch von Homophobie gibt? Die Initiative „Schule ohne Homophobie- Schule der Vielfalt“ will durch Aufklärungsprojekte eine bessere Lern-und Arbeitsatmosphäre für ALLE SchülerInnen und LehrerInnen schaffen, egal welcher sexuellen Orientierung und so aktiv gegen Homophobie vorgehen. So träumen die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen der Initiative zum Beispiel davon, dass es möglich ist, als Jugendlicher den eigenen Freund auf dem Schulhof küssen zu können, oder dass die lesbische Lehrerin ihre Partnerin mit zum Klassenfest bringen kann, und zwar all das ohne das es dumme Sprüche oder Mobbingattacken zur Folge hat.
Auch in Sachsen-Anhalt gibt es Gruppen, die sich für Aufklärungsunterricht an Schule einsetzen. So zum Beispiel das BBZ Lebensart in Halle. Dort finden interessierte Jugendliche viel Infomaterial, aber auch für LehrerInnen, die mit ihrer Klasse zum Thema arbeiten möchten, werden hier gut beraten. Empfehlen kann ich hier z.B. den Faktenkatalog zum Thema sexuelle Orientierung: http://www.bbz-lebensart.de/CMS/index.php?page=fakten
Auch auf Facebook wird man rasch fündig, und so habe ich unter anderem folgende Gruppen entdeckt, bei denen sich ein „Like“ sicher lohnen dürfte.
Die Gruppe „Fußballfans gegen Homophobie“ wirbt in einer Umgebung, in der konservative Rollenbilder und Homophobie leider immer noch eine große Rolle spielen, nämlich in Fußballstadien. Als eingefleischte Fußballfans ziehen sie mit einem großen lila Banner durch die Stadien um für mehr Toleranz zu werben.
Auch die Gruppe „Homophobie, nein danke“ ist auch außerhalb des WorldWideWebs unterwegs, und sorgt mit einer einprägsamen Werbekampagne für Gesprächsstoff.
Ihr wollt euch auch an Aktionen beteiligen und habt auch die Nase voll von homophobischen Sprüchen oder davon, dass „schwul“ immer noch ein Schimpfwort ist? Dann macht mit beim internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie. Am 17. Mai wird es bundesweite Aktionen geben, aber auch in unserer Region kann man sich beteiligen, zum Beispiel gibt es in Jena das IDAHOT-Festival (http://www.idahot-jena.de/organisation/ ... staltungen), oder einen Rainbowflashmob in Magdeburg, bei dem um 18h unzählige bunte Luftballons in den Himmel steigen werden, alle mit Karten, auf denen Statements gegen Homophobie zu finden sind.
Aktionen in Halle sind zur Zeit (meines Wissens nach) leider noch nicht geplant, aber ich behalte die Entwicklung im Auge und werde euch informieren sobald ich etwas erfahre.

Damit wir uns gemeinsam für eine Welt ohne Homophobie einsetzen!

Fundstück der 14. Kalenderwoche 2012  - Tausch dir was!

(JJ) Neulich erzählt mir eine Bekannte von einer Dienstleistungstauschbörse. Vollkommen ohne Geld, beruhend auf gegenseitigen Vertrauen und Solidarität. Klingt gut dachte ich mir und begann mal bisschen zu recherchieren. Schnell fiel mir auf, dass das keine neue Idee ist. Schade dass diese Idee so wenig in die Öffentlichkeit getragen wird.
Zuerst stieß ich auf „DILETA – Dienstleistungen tauschen“. Auf dieser Seite können sich Menschen aus jeder Region Deutschlands anmelden. Allerdings macht es nur Sinn Angebote und Suchen in der Region auszuschreiben. Die Anmeldung ist kostenlos, es sei denn es ist eine Premium Mitgliedschaft erwünscht. Diese würde dann 3€ einmalig kosten. Soweit so gut. Nur leider hat weder meine Anmeldung funktioniert noch habe ich auch nur einen aktuellen Beitrag gefunden. Schade Schade, denn eigentlich ist es eine super Idee. Später stieß ich dann auf www.exchange-me.de/hilfe . Das Konzept ist Folgendes: „Die Idee exchange*me führt Menschen und ihre Talente zusammen. Du hilfst mit dem, was dir Spaß macht und die Mitglieder von exchange*me helfen dir mit Dingen, die du nicht kannst oder die dir keinen Spaß machen. Damit Geben und Nehmen sich die Waage halten, wird jede Arbeit mit Punkten (diese nennen wir *ME) auf deinem exchange*me-Konto verrechnet.“ Der Tauschwert soll in etwa 10 *ME in der Stunde betragen, kann aber je nach Belieben ausgehandelt werden. Da jedeR NutzerIn bei 0 *ME beginnt ist es ausdrücklich erwünscht, sein oder ihr Konto bis zu -100 *ME zu überziehen. exchange*me ist vollkommen kostenlos und funktioniert ohne Zins oder ähnlichem. Die Seite gibt es seit 2005 und scheint relativ gut frequentiert zu sein.
Aber es gibt ja nicht nur Dienstleistungen zum Tauschen sondern auch Gegenstände. Ich entdeckte Recht schnell die Internet-Verschenk-Börse (noch besser als Tauschen finde ich) Freecycle (http://de.freecycle.org/?Startseite). Es gibt ein weltweites, aber auch deutschlandweites Netzwerk. Wobei es sich immer anbietet regional Dinge zu verschenken (wegen Versandkosten). Ich habe mich auf der Seite umgeschaut. Man findet eine Deutschlandkarte in der alle Regionen des Netzwerkes markiert sind. Die Gruppe in Halle ist diese http://de.groups.yahoo.com/group/freecycle-halle/. Sie existiert schon seit 2005 und hier sind die Mitglieder auch relativ aktiv. Der letzte Beitrag stammt zum Beispiel von Anfang April. Jedes Mitglied kann Suchen oder anbieten. Einziger Haken: um sich anzumelden muss mensch entweder einen Yahoo-Account oder ein Google-Konto haben. Den Gedanken Dinge zu verschenken, weil sie nicht mehr gebraucht werden, und vor allem ohne Gegenleistung, gefällt mir super. Dabei sollte natürlich auch unser Umsonstladen in Halle (Böllbergerweg 5), der nach einem sehr ähnlichen Prinzip funktioniert, Erwähnung finden (http://www.postkult.de/?page_id=870).
Aber es gibt auch andere Umsetzungsmöglichkeiten, wie zum Beispiel www.webtauschen.de/. Hier funktioniert alles nach einem Punkte-System, ähnlich wie bei exchange*me. Der Nutzer oder die Nutzerin bietet Dinge an oder „kauft“ welche. Bei einem „Verkauf“ werden Punkte gesammelt und bei einem „Kauf“ verbraucht. Dieses Netzwerk funktioniert bundesweit, daher fallen Versandkosten an. Ein Punkt soll einen Euro entsprechen. Der eigentliche Tauschvorgang läuft zwar bargeldfrei, aber es gibt eine Tauschgebühr von 5 Cent pro Tauschpunkt. Diese entfällt allerdings bei Bedürftigkeit, die man dann einfach bei der Anmeldung angibt (ohne Nachweis). Auch diese Netzwerk ist relativ aktiv, es gibt viele Angebote. Im Grunde funktioniert es wie Ebay nur (fast) ohne Geld. Neue Mitglieder bekommen ein Startguthaben von 5 Punkten und einen Dispo von 50 Punkten, dieser sollte dann allerdings auch bald ausgeglichen werden indem der oder die NutzerIn selbst etwas anbietet.
Ich bin von dem Konzept der Tauschbörsen überzeugt – ob im Internet oder am Wohnort. So können sich viele Menschen etwas leisten, was sie sonst teuer bezahlen müssten. Und vor allem wirkt es der Wegwerf-Mentalität entgegen, verstärkt das Vertrauen fremder Menschen zueinander und könnte unsere Gesellschaft vielleicht ein stückweit weg vom kapitalistischen System bringen.


Fundstück der 13.Kalenderwoche 2012 -  „Wir danken für ihr Verständnis!“ oder wer braucht schon das Juridicum?
In unmittelbarer Nähe des Juridicums befinden sich die folgenden Bibliotheken: ULB, Zweigbibliotheken.

Wir danken für Ihr Verständnis!
Dafür haben wir kein Verständnis! Natürlich sollen die neuen umfunktionierten Lehrräume im MEL und Löw für die vorlesungsfreie Zeit, welche am Anfang der Mitteilung erwähnt werden, nicht unter den Tisch fallen gelassen werden. Sie bieten vermutlich im gleichen Ausmaße die benötigte Literatur, sowie genügend Steckdosen für ein adäquates Arbeiten an Hausarbeiten, Essays oder Hausklausuren. Der selektive Zugang zum Juridicum, die Unterscheidung zwischen JuristInnen und Nicht-JuristInnen durch die Universitätsbibliothek und –leitung ist bei der derzeitigen Situation an der MLU symptomatisch für die Gesamtsituation: volle Hörsäle, Seminarräume und Bibliotheken werden eben auch nicht in der vorlesungsfreien Zeit weniger.
Dabei sind eben nicht die sog. „Fremdfächler“ im Juridicum das Problem, sondern die strukturellen Defizite an der MLU Halle: während die erziehungswissenschaftliche Bibliothek, das Juridicum und die allermeisten Zweigbibliotheken am Weinberg Standards der 2000er Jahre entsprechen und für Studierende adäquate, lange Öffnungszeiten aufweisen, entsprechen die Ausstattung und Einrichtung der verbliebenen Zweigbibliotheken (bspw. seien hier die Sozialwissenschaften oder die Psychologie genannt, welche mehrere Tage in der letzten Woche wegen einem Heizungsausfall geschlossen bleiben musste) in keiner Weise mehr den Anforderungen an eine wie auch immer geartete Arbeits- und Lernatmosphäre für Studierende. Der 2014 fertig gestellt „Steintor-Campus“ (oder auch GSZ genannt) wird den Studierenden der kommenden zwei Jahre wohl ein schwacher Trost für die jetzigen miserablen Studienbedingungen sein.
Somit ergibt es sich nun einmal, dass die Studierende jene Räumlichkeiten aufsuchen, welche in irgendeiner Weise dafür geeignet sind, gute Studienergebnisse zu erzielen. Das Ganze ist gar nicht so einfach bei einer Gesamtstudienzahl von über 20.000 und der Jahr für Jahr steigenden Überlast in den allermeisten Studiengängen. In diesem Zusammenhang muss auch das jetzige Prozedere im Juridicum gesehen werden, was sich nicht nur auf die Studierbarkeit und das Schreiben von Hausarbeiten in Jura bezieht. Vielmehr ist dabei der Fokus der Universität auf die sog. „exzellenten“ Fächer von Jura und Wirtschaftswissenschaften, sowie den Naturwissenschaften am Campus Weinberg und Heide-Süd zu erkennen. Nur bei den weiteren Fächern der Geistes- und Sozialwissenschaften, sowie auch in Teilbereichen der Medizin (Teilprivatisierung der Universitätskliniken) werden ebenfalls im Rahmen der Begehung des Wissenschaftsrates und der Profildiskussion Einsparpotenziale ausgelotet werden. Ein zumindestens auf den ersten Blick sehr einseitiges Unterfangen, wie wir finden.
Die Universitätsleitung tut es sich mit der jetzigen Regelung sehr einfach und wälzt ihre genuine Verantwortung gegenüber „ihren“ Studierenden einfach auf diese ab. Im Endeffekt werden wir gegeneinander ausgespielt, obwohl es die Versäumnisse der Universitätsleitung sind, welche die Ungerechtigkeiten sowie ein noch weiteres Zurückdrängen von Solidaritätsmustern unter den Studierenden forcieren werden. Kommt der tägliche „Verwertungszwang“ im BA-/MA-System noch nicht genug zum Tragen, werden sich die Konflikte um die immer knapper werdenden Ressourcen für Studierende an der MLU Halle noch weiter verschärfen . Am Ende muss (leider) eine Aussage in den Sozialen Netzwerken eines Mit-Studierenden symptomatisch für diesen Prozess stehen:

„ich finds einfach unfair, ich brauch bücher dort und bin nun die/der dumme....hoffentlich machen alle anderen Bibos das mit den juristen auch!“

Fundstück der 02. Kalenderwoche 2012  -  Magdeburg – Naziaufmarsch konnte nicht verhindert werden

(jj) Seit Jahren versuchen die (Neo)Nazis und Rechtsextremist_innen den Jahrestag der Bombardierung von Magdeburg am 16. Januar 1945 für ihre Zwecke zu nutzen. Am vergangenen Samstag marschierten ca. 1100 bis 1200 Nazis schweigend zu der Musik von Wagner und Verdi durch die Innenstadt von Magdeburg. Etwa 2000 Polizist_innen aus 7 Bundesländern ermöglichten den Nazis ihre Route letztlich problemlos zu laufen. Die Nazi-Route wurde bereits am Abend zuvor weiträumig abgesperrt. Die Polizei konnte aufgrund der zu geringen Zahl an Unterstützer_inne drei Sitzblockaden auflösen und  nahm bis zum Abend hin ca. 22 Gegendemonstranten sowie einen Anhänger der rechten Szene in Gewahrsam. Es kam zu Tränengas-Einsatz,
aber nicht zu schwerwiegenderen Verletzungen.
Leider können die Rechten den Tag als einen Erfolg verbuchen, denn die etwa 1200 Nazis, konnten bis auf wenige „Zwangspausen“ durch Blockaden, letztlich ihre Route laufen. Zudem wächst die Zahl der (Neo)nazis. Vor wenigen  Jahren marschierten noch ein paar Dutzend durch Magdeburg und im letzten Jahr erreichten sie bereits den vierstelligen Bereich. Mittlerweile kommen die Anhänger der rechten Szene aus dem gesamten Bundesgebiet nach Magdeburg.
Während ein paar Hundert Gegendemonstrant_innen versuchen der Aufmarsch zu blockieren, fanden abseits die „Meile der Demokratie“ und die „junge Meile der Demokratie“ statt. Diese wurde von etwa 10000 Menschen besucht, welche sich an zahlreichen Infoständen eines breiten Spektrums an Vereinen, Stiftungen, Kirche, Gewerkschaften, Parteien und Initiativen u.a. über Rechtsextremismus und den Umgang mit Rechts informieren konnten.
Auf die Versuche der paar Hundert Gegendemonstrant_innen den Nazi-Aufmarsch doch noch zu blockieren, wurde mit Einkesseln, Identitätsfeststellungen, Platzverweisen und dem Einsatz von Pfefferspray reagiert.
Dennoch kann auch die linke Seite ein paar Erfolge verzeichnen. Denn an der Synagoge am Neustädter Bahnhof hielten mehrere hundert Menschen eine Mahnwache ab. Allerdings wurde auch diese von der Polizei umstellt. Bei einem Versuch eine Polizeikette zu durchbrechen wurde sofort mit Knüppel und Einsatz von Pfefferspray reagiert sowie mit mehreren Identitätsfeststellungen.
Ein weiterer Erfolg war, dass es trotz der flächendeckenden Absperrungen der Polizei einigen vereinzelten Gruppen gelungen ist, drei Blockaden zu errichten. Eine Gruppe von 11 Gegendemonstrant_innen kleidete sich in symbolhafter KZ-Häftlingskleidung und marschierte dem Naziaufmarsch in völliger Stille, aneinander gekettet entgegen. Sie trugen ein Banner mit der Aufschrift „Für das Erinnern - Wir trauern um jeden Menschen, den wir an den Faschismus verlieren". Dann setzten sie sich hin und wurden nach mehreren Aufforderungen der Polizei aufzustehen, weggetragen. Diese Aktion wird allerdings, trotz ihres Erfolges, bei manchen Anhängern der linken Szene kritisch gesehen.
Das „Bündnis Blockieren MD“ und die Gegendemonstrant_innen sind enttäuscht darüber, dass es nicht gelang den Aufmarsch zu verhindern, es ist aber immerhin ein Erfolg, dass dieses Jahr insgesamt mehr Menschen für die Gegenproteste bundeweit mobilisiert wurden als in den Jahren zuvor.


http://endstation-rechts.de/index.php?option=com_k2&view=item&id=6798:dresden-20?-1200-neonazis-ziehen-durch-magdeburg&Itemid=376
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,809159,00.html
http://de.indymedia.org/2012/01/323020.shtml
http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/DEUTSCHLAND/10-000-Magdeburger-setzen-Zeichen-gegen-Rechtsextremismus-artikel7876977.php
http://taz.de/Neonazis-in-Magdeburg/!85651/
http://www.jungewelt.de/2012/01-16/037.php?sstr=Magdeburg

Fundstück der 01. Kalenderwoche 2012 - Rezension: Christian Felber (attac) – Gemeinwohlökonomie

(r) Der Kapitalismus ist nicht das Wirtschaftssystem in dem wir leben wollen, da besteht unter den Linken ein breiter Konsens. Wenn es aber um die Frage geht, wie es denn danach aussehen soll: ob vollständige Verstaatlichung aller Produktionsmittel, Abschaffung von Geld und Zinsen oder die Einführung der Planwirtschaft, darüber ist mensch zerstritten.
Karl Marx sagte, um zum Kommunismus (jeder nach seinen Fähigkeiten) müssen wir den Weg über den Sozialismus (jeder nach seinen Leistungen) gehen.
Christian Felber hat meines Erachtens ein gut nachvollziehbares, verständliches und- was mir wichtig - ist auch real umsetzbares Konzept erarbeitet.
Im ersten Teil erörtert er aus psychologischer Sicht die Missstände des aktuellen Wirtschaftssystems um danach seine neue Idee des sozialen und ökologischen Wirtschaftens mit mehr Demokratie zu erklären.
In der Gemeinwohlökonomie gibt es zwei Bilanzen (was Heute auch schon einige Unternehmen haben), wobei die Gemeinwohlbilanz, die Bewertung wie sozial und ökologisch ein Unternehmen agiert, die Primäre wird und die jetzige Bilanz in den Hintergrund gerät. Demnach werden die Steuern und die Höhe der Zinsen an die Gemeinwohlbilanz gekoppelt und ermöglichen es nachhaltige und soziale Unternehmen zu subventionieren. Durch die Marktwirtschaftlichen Elemente die vorhanden sind, werden sich diese Unternehmen langfristig durchsetzten und so das Leben aller verbessern.
Seiner Meinung nach leben wir in keiner Demokratie, denn dazu müssen wir auch die Wirtschaft demokratisch gestalten, das bedeutet für ihn das Mitarbeiter in Betrieben Mitbestimmen sollen/müssen.
Am Ende stellt er viele vorbildlich Unternehmen vor, die Demokratisch gestaltet sind und damit auch erfolgreicher agieren als die reinen Chef-Angestellter-Unternehmen. Ein Kernpunkt ist das nur Mitarbeiter Anteile des Unternehmens besitzen können, damit würde es auch keine Börse mehr geben und das Kasino hätte ein Ende.
Für ihn müssen zwei weitere demokratische Schritte bestehen, zum einen die deutschland- oder europaweite Volksabstimmung, die sich über parlamentarische Entschlüsse durchsetzen müssen und Volkskomitees die über Bildung, Banken und Energieversorgung beraten.
Die Wohlstandsökonomie ist eine echte Alternative zum heutigen System und könnte in einem friedlichen Prozess innerhalb der nächsten 10-15 Jahre umgesetzt werden.
Innerhalb von vier Stunden kann jeder Leser es mit den heutigen „Topökonomen“ aufnehmen und sie in Schranken weisen.
 Ein Muss für alle die ein sozialeres und ökologisches Leben gestalten wollen.

http://www.gemeinwohl-oekonomie.org
http://www.demokratische-bank.at


Fundstück der 43. Kalenderwoche - Austeilen, aber nicht einstecken können

(jj) Mario Barth erwirkte am 02. November 2011 eine Unterlassungsklage gegen Linksjugend ['solid] (Mecklenburg-Vorpommern), da sie ein Bild von ihm für ein Plakat- und Flyermotiv verwendeten, mit dem Spruch darunter „sexistische Rollenklischees haben so einen Barth!“. Er fühle sich in seinen Persönlichkeits- und Urheberrechten verletzt. Wird Mario Barth als eine geschützte Marke verstanden, verstößt ['solid] MV gegen das Urheberrecht, aber nur insofern ihm eine Werbeabsicht unterstellt werden könne. ['solid] MV verwendet Barths-Konterfei allerdings weder für Eigenwerbung noch aus kommerziellen Gründen. „Wir beabsichtigen eine Aufklärung gegenüber den psychologischen Herrschaftsmechanismen dieser männerdominierten Gesellschaft. Unser Material beinhaltet eine Meinungsäußerung zu den in Programmen des Herrn Barth immer wieder bedienten Rollenklischees und nimmt insofern Stellung zu dessen Positionierung in der Öffentlichkeit. Auch erweckt sie gerade durch die deutliche Kritik an der Position des Herrn Barth nicht den Eindruck, dass dieser sich mit unserem Verband identifiziere. Ein Geschäftsinteresse verfolgt unser Verband als politischer Jugendverband auch nicht.“
Der Pressesprecher von ['solid] MV Robert Wollenberg erklärte der jungenWelt, Barth sei eine Person der Zeitgeschichte, reduziere Frauen auf Klischees und präge zudem langfristiges Denken. ['solid] werde sich nicht in seiner Meinungsfreiheit von einer Person einschränken lassen, nur weil er sich teure Anwälte leisten könne. Zudem liege keine Persönlichkeitsverletzung vor, da weder Informationen über seine Intims- noch Privatsphäre herausgegeben worden. „Unser Handeln beschränkte sich nur auf den Abdruck des Gesichtes von Herrn Barth und ist durch Artikel 5 GG der Pressefreiheit geschützt“.
Eine weitere Frage die laut ['solid] MV zu klären sei ist die, ob Barth´s „komödiantischen“ Äußerungen keine politischen Statements darstellen. Da im Kampf um Gleichberechtigung solche Abwertungen immer einen Teil der Unterdrückung und auch immer eine Position darstellen. „Mario Barth reduziert ein ganzes Geschlecht, die Hälfte der menschlichen Weltbevölkerung auf Schuhe, Einkauf und sonstige, als „frauentypisch“ angesehene Eigenschaften. Diese sind meist negativ behaftet und sprechen Frauen Kompetenzen ab. Sie stellen den Mann über die Frau und zementieren die derzeit herrschenden gesellschaftlichen Mechanismen. Dadurch haben sie politischen Einfluss auf die Öffentlichkeit. […] Man muss sich nicht zu einer politischen Organisation bekennen um politisch zu wirken.“
['solid] MV wird in den nächsten Wochen noch einen weiteren thematischen Flyer herausgeben, der sich inhaltlich mit den auch durch Barth bedienten Rollenklischees auseinandersetzt. Dieser soll in Kürze auch auf seiner Internetseite zum Download bereit gestellt werden. Zudem plant ['solid] MV in der nächsten Zeit eine Veranstaltungsreihe zum Thema „Sexistische Unterdrückungsmechanismen in den Medien“.
Sollte ['solid] MV den Prozess verlieren, kommen hohe Kosten auf den Verband zu. Daher startet ['solid] MV auf seiner Internetseite einen Spendenaufruf für die Prozesskosten.

http://www.solid-mv.de/
http://www.jungewelt.de/2011/11-09/052. ... ario|Barth
http://www.neues-deutschland.de/artikel ... olid|barth
http://www.nordkurier.de/cmlink/nordkur ... r-1.347199


Fundstück der 42. Kalenderwoche Griechenland – Wir sollten nach vorne und nicht zurückschauen

2008 haben sich die Banken verspekuliert und die Staaten der Welt mussten ihre Nationalen Banken retten; damit wurde aus der Bankenkrise eine Staatenkrise. Nach dem Crash sollte es mehr Regulierungen geben, doch nichts geschah. Kaum stiegen die Börsenkurse wieder, war das Thema aus der Welt. Die Banken fuhren wieder Gewinne ein, der deutsche Export florierte auf Grund der gigantischen Rettungspakete im EU Raum und die FDP dachte nun wieder über ihr Wahlversprechen nach – Steuersenkung.
Waren wir wieder im Wirtschaftswunder?

Kaum, um das zu erkennen genügte ein kurzer Blick in Richtung Mittelmeer. Griechenland hatte mit der Ankurbelung der Wirtschaft weit weniger Erfolg als Deutschland.
Warum wurde breit diskutiert: die Griechen sind faul, sie leben über ihre Verhältnisse und sie sind korrupt. Nicht bedacht wird dabei immer, dass die Deutschen Löhne seit 10 Jahren stagnieren (den Gürtel enger schnallen, Deutschland wettbewerbsfähiger machen) und deshalb die Lohnstückkosten die niedrigsten in der ganzen Euro-Zone sind. Was bedeutet, dass es für die Südeuropäer günstiger ist aus Deutschland zu importieren als selbst zu produzieren und damit haben sich gigantische Auslandsschulden angehäuft. Vor dem Euro hätten sie ihre Währung einfach abgewertet, doch das geht nun nicht mehr und somit sind die Rettungspakte der EU Länder indirekt nach Deutschland geflossen.
Anstatt über einen Ausschluss Griechenlands nachzudenken (was bedeutet, dass sie ihre Euroschulden in Drachmen zurückzahlen müssten) sollte über eine Umstrukturierung innerhalb der EU nachgedacht werden.
Richtig ist: Griechenland hätte wirtschaftlich nie in die Euro-Zone aufgenommen werden dürfen, da sie vorher schon eine zu Hohe Staatsverschuldung hatten, wir haben sie aber auch mit aufgenommen!
Die langfristige Verschuldung innerhalb der EU und die Bankenrettungen haben die Rating Agenturen veranlasst die Bonität Griechenland herabzustufen.
Doch warum hat Griechenland Probleme und die USA nicht?
Die USA sind in ihrer eigenen Währung verschuldet und Griechenland nicht, denn der Euro wird von der EZB herausgeben, das heißt Griechenland kann nicht einfach Geld „drucken“.
An diesem Punkt wurde von Griechenland verlangt zu „sparen“, was sie umso tiefer in den Strudel geraten ließ, denn die Nachfrage ging aufgrund der Kürzungen stark zurück.
Nun ist die Frage wie Griechenland langfristig stabilisiert werden kann, um so auch das zusammenbrechen von Italien und Spanien zu verhindern. Ein Weg wäre gewesen Griechenland regulär Pleite gehen zu lassen, doch dann hätten auch private Anleger ihr Geld verloren, was mittlerweile größtenteils abgezogen wurde. Heute ist dies schwieriger, da die europäschen Staaten mehr Geld geleihen haben und dies bei Italien und Spanien zur Kettenreaktion kommen kann.
Um Griechenland zu Helfen kann es nur heißen: Mehr EUROPA. Die Europäsche Wirtschaft muss mehr aufeinander abgestimmt werden, die strukturellen Schwächen müssen beseitigt werden, wenn der Euro langfristig erhalten bleiben soll.
Es sollte wieder feste Wechselkurse zwischen den Währungen geben. Darauf aufbauend sollte unter der Leitung der UNO eine Weltwährung eingeführt werden, diese könnte aus den strukturellen Fehlern der Wirtschaftsunion in Europa lernen. Im selben Prozess könnten verbindliche Regelungen für den Kapitalmarkt geschaffen werden, was auch eine Umstrucktierung der Rating Agenturen mit einschließt. Fest steht, Griechenland kann nicht mit mehr Geld geholfen werden, sondern nur mit einer Perspektive, die langfristig dazu beträgt die Verschuldung (gegenüber dem Ausland) abzubauen.


Fundstück der 41. Kalenderwoche - Schöner Wohnen bei Studentenverbindungen?
(cr) Im Fundstück der letzten Woche (vom 27.10) wurde der allgemeine Wohnungsnotstand in Halle, aber auch anderenorts in der gesamten Republik thematisiert. Beim studentischen Wohnen ergibt sich für Halle sowie den meisten Universitätsstädten wie Marburg, Göttingen oder Hamburg gleichzeitig eine nicht zu verachtende und kritisch zu sehende Problemstellung des Werbens von Studentenverbindungen um neue „Köpfe“. Durch ihre Angebote von billigem Wohnraum, in manchen Fällen inklusive eigenen Reinigungspersonals, scheinen sie eine scheinbare Alternative v.a. für Erstsemesterstudierende darzustellen. Das sind sie aber nicht!
Uns sind mehrere Fälle bekannt geworden, wo zumeist nichts-ahnende Neustudierende zu Zimmerbesichtigungen „auf das Haus“ kamen und einige davon auch einen Mietvertrag unterschrieben haben. Das Phänomen des Wohnens auf dem Haus einer Studentenverbindung, als Nicht-Mitglied der Korporation oder als sog. Fuchs (einem Anwärter auf die Vollmitgliedschaft in einer Studentenverbindung, der sich „erst noch beweisen muss“), ist demgegenüber nicht so eng mit der korporatistischen Traditionspflege verbunden wie mensch annehmen könnte. Gemeinhin wurde das Verbindungshaus bis in die 1930er Jahre für die Kneipe und die Mensur benutzt, während die höher gestellten Funktionsträger, wie der Fuchsmajor (Leitperson der Füchse mit Erziehungsfunktion) auf dem Haus wohnten. Dabei war nicht vorgesehen, alle Mitglieder der Studentenverbindungen auf dem Haus selbst wohnen zu lassen. Vielmehr liegen die Wurzeln des gemeinsamen Wohnens in einer Anordnung des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (kurz: NSDStB), welche die Korporationen nach der alles in allem einvernehmlich vonstatten gegangenen Gleichschaltung 1935/6 ohne weitere Reflektion übernahmen und dies bis heute noch tun. Dem NSDStB ging es unter Baldur von Schirach, dem späteren „Reichsjugendführer“, darum die Neustudierenden so schnell und zeitig wie möglich zu „kasernieren“, sie somit einer permanenten Kontrolle auszusetzen und in einem noch engeren Abhängigkeitsverhältnis zu binden. Zu beobachten ist bei einigen Studentenverbindungen, wie an das eigentliche Haus neue Wohntrakte zu dieser Zeit angebaut wurden, um eben jene „Kasernierung“ zu vollziehen.
In Halle werben die Studentenverbindungen mehr verdeckt als offen mit ihrem billigen Wohnraum, inklusive Gemeinschaftsgefühl, kollektiven Besäufnissen und schmerzhaften Fechtkämpfen. Auf Portalen wie "wg-gesucht" ist der einzige Anhaltspunkt eine auf den ersten Blick unscheinbare Webadresse, ohne dass die Verbindungen in den meisten Fällen explizit auf ihren Charakter als Korporation aufmerksam machen würden. Bei der Besichtigung der Wohnung erleben die meisten Studierenden dann eine skurrile Situation aus Männerbund, zumeist Mobiliar aus dem 19.Jahrhundert samt Schwertern und Fahnen an den Wänden sowie das ungute Gefühl, hier „falsch verbunden“ zu sein. Dies ist aber nicht immer der Fall: so kann es auch passieren, dass Neustudierende ohne ihr eigenes Wissen über die Gefahren und die berechtigte Kritik am Verbindungsleben sich schnell als Mitglied auf Probe in der Gemeinschaft wieder finden. Die „Fuchsenjagd“ hält die Männerbünde und anschließenden Seilschaften, den Sexismus und Autoritarismus innerhalb und auch außerhalb der Korporation am Leben.
Gerade deshalb ist das Werben der Studentenverbindungen am Anfang des Semesters so gefährlich, ist es doch mehr als notwendig auch in Halle mit seiner langen Universitätsgeschichte Aufklärung zu betreiben und Kritik an den herrschenden Verhältnissen zu üben. Wir können nur jedem (in seltenen Fällen auch jeder) raten, der/die in einen Mietvertrag bei einer Studentenverbindung eingewilligt hat diesen zu kündigen! Auch wenn die Wohnungssituation in Halle derzeit katastrophal ist, finden wir zusammen sicherlich eine Lösung.

http://www.mz-web.de/servlet/ContentSer ... 8335615016
http://halle.radiocorax.de/index.php?id=411

Stephan Peters. Elite sein. Wie und für welche Gesellschaft sozialisiert eine studentische Verbindung? Tektum Verlag. Marburg. 2004.

Diethrich Heither. Verbündete Männer: Die Deutsche Burschenschaft - Weltanschauung, Politik und Brauchtum. PapyRossa Verlag. Köln. 2000.


Fundstück 40. Kalenderwoche - Schlaflos in Halle

(ag) In Halle sind im Moment noch viele Studierende auf der Suche – auf der Suche nach einer Wohnung. Denn die Wohnraum-Lage hat sich seit Beginn dieses Semesters dramatisch verschlechtert. Etwa 4000 Erstsemester haben Anfang Oktober ihr Studium an der MLU begonnen, ein Zuwachs von 12% zum Vorjahr.
Durch die Aussetzung der Wehrpflicht und den doppelten Abiturjahrgängen in Bayern und Niedersachsen strömen überdurchschnittlich viele Studienanfänger in diesem Jahr an die Uni. Halle kann überdies als Standort ohne Studiengebühren, mit einem breiten Fächerangebot und niedrigen Lebenserhaltungskosten vor allem bei jungen Leuten aus den alten Bundesländern punkten.
Das stellt den Wohnungsmarkt in Halle jedoch vor große Herausforderungen. Denn die vielen Erstsemester müssen ja auch irgendwo wohnen und eine bezahlbare Bleibe zu finden, ist mittlerweile schwierig. Teilweise schieben sich bei WG-Besichtigungen 30 Leute gleichzeitig durch die Wohnung, Studis müssen am Bahnhof oder in ihren Autos übernachten, für Zimmer in den Studentenwohnheimen gab es monatelange Wartelisten.
Die Stadtverwaltung sowie das Uni-Marketing haben etliche Tausend Euro für Werbe-Kampagnen ausgegeben, um neue Studierende an die MLU zu locken. So gibt es z.B. eine Kooperation mit Hessen, um Abiturienten das Studium in Halle attraktiv zu machen. Vernachlässigt wurde dabei aber, auch bezahlbaren und zentralen Wohnraum für die Neu-HallenserInnen zu schaffen.
Eher werden Wohnungssuchende darauf verwiesen, in dezentrale Viertel wie die Silberhöhe oder die Südstadt zu ziehen, da dort die Mieten auch für Studierende bezahlbar sind. Allerdings sind von dort die Wege zur Uni weit, die Infrastruktur soll zurückgebaut, statt ausgeweitet werden.
Dieses Problem ist aber keinesfalls nur auf Halle begrenzt, bundesweit häufen sich die Berichte über die desolate Wohnraum-Lage in den Uni-Städten. In Jena ist diese Angelegenheit keineswegs neu. Dort werden regelmäßig zu Beginn des Semesters Turnhallen angemietet, um den neuen Studis wenigstens kurzfristig eine Unterkunft bieten zu können. Viele ziehen in benachbarte Dörfer, weil sie sich die Mieten in Jena nicht leisten können. Diejenigen, die eine Wohnung in der Stadt gefunden haben, sehen sich mit stetig steigenden Mieten konfrontiert. In Frankfurt haben Studierende nun ein Haus besetzt, um auf ihre katastrophale Wohnlage aufmerksam zu machen und so Unileitung und Stadtverwaltung zum Handeln zu zwingen. Diese Liste ließe sich noch lange fortführen.
Noch fehlt in der Politik das Problembewusstsein für die Lage der Studierenden. Vielerorts steigen die Mieten, werden die Studis in abgelegene Stadtviertel gedrängt oder müssen überteuerte Preise für Wohnungen bezahlen, ohne dass beispielsweise die Städte- oder Länderverwaltung reagieren. In Halle wird gerade über die Wohnungsnot von SeniorInnen debattiert, die drängenden Probleme der StudentInnen werden außen vor gelassen.
Dabei zwingt es aber viele Studierende sich über Nebenjobs z.B. die Miete finanzieren zu müssen oder hält einige von vornherein davon ab, ein Studium aufzunehmen.
Hier muss dringend ein Umdenken in der Politik stattfinden und das Problem des Mangels an bezahlbaren Wohnraum als existenzielles Problem von vielen Studierenden erkannt werden.

http://www.mz-web.de/servlet/ContentSer ... 8335615016
http://schlaflosinfrankfurt.blogsport.de/
http://www.sueddeutsche.de/karriere/bla ... -1.1171697

Fundstück der 39. Kalenderwoche

(jj) Was im Koalitionsvertrag der CDU und SPD des Landes Sachsen-Anhalt längst vereinbart wurde, soll nun auch umgesetzt werden. Die Ganztagbetreuung für alle Kinder im Vorschulalter. Bislang dürfen Kinder von Hartz-IV-Empfängern nur fünf Stunden in den Kindergarten. Ein Grobkonzept wurde schon entworfen. Nun soll Mitte Oktober dem Kabinett von Sozialminister Norbert Bischoff ein Konzept zur Novellierung des  Kinderförderungsgesetzes vorgelegt werden.
Das neue Gesetz soll aber auch eine Abfederung für die Elternbeiträge in Mehrkindfamilien enthalten und die Rahmenbedingungen der Erzieher und Erzieherinne sollen verbessert werden. Eine Verbesserung des Betreuungsschlüssels sei aber nicht vorgesehen, doch gerade dieser wäre unbedingt nötig. Stattdessen soll pro Vollzeitstelle ein zusätzliches Stundenvolumen für die nur mittelbaren pädagogischen Tätigkeiten geben. Zudem soll die Finanzierung der Kinderbetreuung transparenter gestaltet werden. Der Landeszuschuss solle nach Sprecher Holger Paech sehr konkret an die tatsächlich anfallenden Personalkosten geknüpft werden.
Ein Kitaplatz ist für Kinder unheimlich wichtig, da so Bildungsbenachteiligungen abgebaut werden können. Die Kindertageseinrichtungen bieten den Kindern eine anregende Umgebung die ihnen die Familien zu Hause nicht unbedingt bieten können. Frühkindliche Bildung hört nach der Kita nicht auf, so dass Kinder die nur fünf Stunden am Tag in die Kita gehen, mit der Zeit Bildungsrückstände, sei es bei der Sprache, Motorik usw., gegenüber den Ganztagskindern aufweisen, sofern die Kompetenzen bei den Eltern nicht bestehen ihre Kinder auch zu Hause zu fördern. Das soll an dieser Stelle aber auch nicht allen Hartz 4 Familien unterstellt werden. Zudem bedarf die emotionale Entwicklung einer vertrauten Bindung an Erwachsene. Diese sind auch nicht in allen Familien gegeben. Auch das wäre ein weiterer Grund für einen niedrigereren Beteuungschlüssel. Denn gerade die Kinder, die zuhause keine optimalen Anregungen erfahren und für die es deshalb förderlich sein soll, ganztags im Kindergarten zu sein, brauchen dann in der Kita jemanden, der sie hört, sieht, auf sie reagiert und liebevoll und aufmerksam mit ihnen zusammen sein kann (dies brauchen natürlich die Kinder, die wegen langer Berufstätigkeit ihrer Eltern einen Großteil des Tages im Kindergarten sind genauso).
Weiterhin wird bisher nicht beachtet, dass der Erzieherberuf außer der alltäglichen Kinderbetreuung noch mehr Aufgaben ausmacht (Vorbereitung der inhaltlichen Kindergartenarbeit, Elterngespräche, Vorbereitung und Durchführung von Elternabenden, von Kindergartenfesten, Qualitätssicherungsarbeit, Beobachtung der Kinder und Dokumentation etc.) und diese stundenmäßig anerkannt werden müssten.
Dass soll heißen, dass die Wiedereinführung der Ganztagbetreuung eine wichtige Novellierung des KiföG ist, aber ohne einen verbesserten Personalschlüssen und somit ohne die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung der Qualität in den Kitas nur bedingt sinnvoll scheint.
Das Kinder-Bündnis hat sich neben den im Landtag vertretenen Parteien hat sich dafür ausgesprochen, nicht sofort, sondern schrittweise bis zum Ende der Wahlperiode zum Ganztagsanspruch zurückzukehren und statt  dessen lieber Geld in bessere Betreuung zu investieren.
Im Moment zweifelt aber die SPD generell an der Finanzierbarkeit von Bischoffs Vorschlag - und hat ganz eigene Pläne. Sozialpolitikerin Petra Grimm-Benne etwas soll sich intern für eine Ausweitung des Ganztagsanspruchs nur auf sieben Stunden ausgesprochen haben und die CDU lehnt die Rückkehr des zehnstündigen Betreuungsanspruch komplett ab. Noch unklar seien aber auch die Mehrkosten, welche auf die Kommunen zukommen würden und wo die für die Ausweitung der Betreuungszeiten nötigen Erzieherinnen herkommen sollen. Die Finanzierbarkeit stellt im Moment noch das größere Problem dar. Während das Bündnis von 45 Millionen Euro ausgeht, haben die Grünen eine Summe von rund 54 Millionen Euro errechnet, die auf die bislang 178 Millionen Euro Gesamtkosten aufgestockt werden müssten. Angesichts der Haushaltslage haben daher selbst die Linken vor vier Wochen für eine schrittweise Rückkehr zur zehnstündigen Betreuung bis 2016 gestimmt.


(Weitere Empfehlungen der Kitas aus Sachsen-Anhalt an den Sozialminister Norbert Bischoff zur Novellierung des KiföGs können auf der Seite des Landes Sachsen-Anhalts (http://www.sachsen-anhalt.de/index.php?id=42782) nachgelesen werden.


http://www.halleforum.de/Halle-Nachrichten/Kindergarten-Ganztagsbetreuung-fuer-alle-kommt-zurueck/33687
http://www.mz-web.de/servlet/ContentSer ... 7490165154


Fundstück zur 38. Kalenderwoche: Umweltzone Halle - eine von vielen Maßnahmen

Zur Reduzierung der Schadstoffbelastung der Luft existieren seit dem 01.09.2011 auch in Magdeburg‘s und Halle‘s Innenstadt sogenannte Umweltzonen.
Eine Umweltzone ist ein in einer Stadt abgestecktes und beschildertes Gebiet, in welchem Kraftfahrzeuge (Pkw, Lkw, Busse) nur mit entsprechender grüner (oder anfangs gelber) Plakette fahren dürfen. Die Plaketten sind Indikator für den Feinstaubausstoß des Fahrzeuges. Durch die Maßnahme sollen vom motorisierten Straßenverkehr ausgehende ökologische und gesundheitliche Belastungen verringert werden.
Maßnahmen, wie eine Umweltzone, rufen schnell auch Kritik auf den Plan. So meldeten sich vor allem die Automobil-Lobby und -Verbände (wie der ADAC) zu Wort, die vordergründig den Verkehrsfluss und nicht die Feinstaubbelastung verbessern wollen. Auf diese einseitige Sichtweise sind auch die meisten Mainstream-Medien aufgesprungen, wodurch Umweltzonen in der Öffentlichkeit oft keinen guten Ruf genießen. Auch die Stadt Halle, welche als Behörde mit der Ausgestaltung der Umweltzone beauftragt war, erklärte frühzeitig ihren Widerstand gegen die Maßnahme. Umweltverbände wie der BUND, der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Deutsche Umwelthilfe forderten jedoch bereits im Mai die Stadtoberen auf, ihrer Verantwortung nachzugehen. Diese gaben schließlich nach, so dass nun auch eine Umweltzone in Halle existiert.
Die Sinnhaftigkeit der Umweltzonen ist indes wissenschaftlich abgesichert. Die Leiterin des Verkehrsbereiches der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Dorothee Saar, erläutert dazu, dass zum Beispiel in Berlin nach der Einführung der 2. Stufe der Umweltzone (Einfahren nur noch mit grüner Plakette) eine Reduzierung von Dieselruß um knapp 60 Prozent gemessen worden ist (1). Die Deutsche Umwelthilfe stellt aber auch klar, im Osten der Republik gäbe es noch erheblichen Nachholbedarf an Umweltzonen.

Umweltzone in Halle - kleiner geht's kaum!
Ob eine Umweltzone wirkliche Wirkung entfalten kann, hängt vor allem an der Umsetzung dieser. In Halle gibt es genau hier Grund zur Kritik: Da die Hallenser Umweltzone im Gegensatz zur Leipziger nur im Innenstadt-Bereich
Gültigkeit besitzt, ist vor allem die Ausdehnung der Zone wichtig. Zudem sollten effektive Methoden gefunden werden, die Fahrverbote für „schmutzige“ Fahrzeuge auch durchzusetzen.
Bei der derzeitigen Umsetzung bekommen so manche Fahrzeuge - wie der Smart For Two Diesel - nur eine gelbe Plakette, auch wenn der Verbrauch bei unter 3 Liter liegt. Hier eröffnen sich in der Umsetzung noch zahlreiche Verbesserungsmöglichkeiten.
Um eine Umweltzone konsequent durchzusetzen, benötigt es noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen: Förderung und Ausbau des Fahrradverkehrs, Attraktivitätserhöhung zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (zB. Durch Jobtickets für Mitarbeiter der Stadtverwaltung) oder Unterstützung von CarSharing und Elektro-Mobilität.
Doch braucht es darüber hinaus weitere Schritte zur Feinstaubverringerung - seien es geeignetere Vorgaben für Industriebetriebe oder die Beschränkung der Abfallverbrennung. Denn die Umweltzone ist - wie auch in der Kurzinformation des Umweltbundesamtes zum Thema zu erwähnt - nur eine unter vielen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Städten und Ballungsräumen.

(1) http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=2677&cHash=a9a22b3920

Quellen:











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