Kritik an reaktionären ProfessorInnen ermöglichen!

Wir, der SDS.Die Linke MLU, solidarisieren uns mit der Juso-Hochschulgruppe Halle und besonders mit den GenossInnen, die gegenwärtig Opfer reaktionärer Angriffe werden und erwarten, dass sie weiterhin für Antifaschismus streiten. Doch was ist passiert? Anfang Juni hat die Juso-Hochschulgruppe eine Mail an verschiedene Lehrstühle der Politikwissenschaft an der MLU geschickt, in denen die „Entkanonisierung“ von Texten des Dresdner TU-Professors und Pegida-Verstehers Werner J. Patzelt gefordert wurde. Unter anderem weil Patzelt die Pegida-Bewegung als legitimen Protest bezeichnet und die Gegendemonstrationen als schädlich für das gesellschaftliche Klima abstempelt, stellt er die Verhältnisse auf den Kopf und solidarisiert sich mit einer im Kern rechten Bewegung1. Damit macht er die nationalistischen und rassistischen Positionen Pegidas salonfähig und gibt ihnen einen angeblich legitimen Platz im gesellschaftlichen Diskurs. Dem bürgerlichen Rassismus und Nationalismus ist jedoch entschieden entgegenzutreten - nicht nur, weil er den gesellschaftlichen Nährboden für faschistische Tendenzen bietet, sondern auch, weil er innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft Verhaltensmuster zur Norm erhebt, die solche Herrschaftsstrukturen begründen. Antifaschismus heißt für uns, diese Kritik immer wieder sichtbar zu machen und jede Verharmlosung menschenverachtender Ideen zu stigmatisieren.

Im Kontext dieser Auseinandersetzung waren wir entsetzt, welche bürgerliche Phalanx sich da herausbildet, um dem Antifaschismus an der Hochschule den Kampf anzusagen. Die Mail der Juso-Hochschulgruppe ist überhaupt nicht an Patzelt gegangen, sondern es wurde zuerst die interne Diskussion an der Uni gesucht, die rhetorisch von unseren bürgerlichen ProfessorInnen so gerne hochgehalten wird, in der Praxis jedochschnell an seine Grenzen stößt. Irgendjemand muss so frei gewesen sein, die Mail an Patzelt weiterzuleiten, der diese dann bei facebook unter Nennung des Namens öffentlich machte, was zu persönlichen Anfeindungen gegenüber eines Menschen geführt hat, der die Mail im Namen der Gruppe unterzeichnet hat. Im Rahmen der Diskussion um Patzelts Veröffentlichungen bezeichnete er die Juso-Hochschulgruppe Halle als „rotlackierte Faschisten“. Gleichzeitig verharmlost er den Rechtspopulismus („Lügenpresse“ etc.) der Pedigda-Bewegung (2).

An der MLU ist die Situation jedoch keinen Deut besser: Sowohl Professor Varwick (3) (Internationale Beziehung und europäische Politik) als auch andere ProfessorInnen der Politikwissenschaft fühlten sich genötigt, die Juso-Hochschulgruppe Halle zu stigmatisieren. Varwick schreibt beispielsweise in seiner Antwort: „Sie sollten dies auch bitte nicht als Beitrag zur Zivilcourage oder politischen Verantwortung darstellen, das ist es nicht, sondern führt in eine "Gesinnungsdiktatur" aus der nichts, aber auch nichts Gutes entstehen kann“. Varwick stellt sich mit der Wortwahl Gesinnungsdiktatur in eine braune Tradition – egal ob in Anführungszeichen oder nicht. Die rechte Zeitung Die Freiheit ist Teil jenes Diskurses, welcher in der BRD eine vermeintliche Gesinnungsdiktatur von links kritisiert.(4) Das muss man sich vorstellen, in einem von Merkel in Kürzungspolitik dominierten Europa herrsche eine linke Gesinnungsdiktatur. Es ist rechte Ideologie, an die Varwick hier anknüpft. Dabei verkennt er, dass Wissenschaft nie im luftleeren Raum stattfindet. Varwicks Plädoyer für die Freiheit der Wissenschaft ignoriert, dass Wissenschaft nicht unbeeinflusst von Herrschafts- und Unterdrückungsmechanismen existiert.

Die ProfessorInnen werfen dem Verfassen der Mail eine "menschenverachtende Sprache" vor. Antifaschisten werden an dieser Stelle stigmatisiert, um sich mit dem Pegida-Versteher Patzelt zu solidarisieren. Dass es sich bei Peiga um eine rassistische Bewegung handelt, hat Patzelt selbst diagnostiziert, aber anscheinend ist daran für unsere bürgerliche Phalanx nichts Anrüchiges zu sehen (5). Der Juso-Hochschulgruppe Halle wird auch vorgeworfen, den "Diskurs mit Andersdenkenden sogar den Studierenden [zu] verweigern“. Die Frage hier lautet: Wer hat den Diskurs überhaupt angestoßen? Die ProfessorInnen waren es sicherlich nicht. Das bürgerliche Palaver über Pluralismus, Demokratie und machtfreie Diskurse zerplatzt wie eine Seifenblase. Stattdessen treten antikommunistische Reflexe zutage, durch die der Diskurs im Vorhinein erstickt werden soll. Es ist gegenwärtig so, dass sich nicht kritisch mit Patzelt auseinandergesetzt wird, sondern lediglich seine Rolle als "führender Parlamentarismusforscher Deutschlands" betont wird.

Es war immer ein Argument des SDS in der Auseinandersetzung mit Varwick, alle Aktionen im Namen der Gruppe durchzuführen, damit keine Einzelpersonen zur Rechenschaft gezogen werden, weil ProfessorInnen sich in ihren persönlichen Befindlichkeiten verletzt fühlen. Als „Feiglinge“ wurden wir vom Neoimperialisten Varwick beschimpft (6) – doch die aktuelle Situation lässt unsere Angst nicht unbegründet erscheinen. Die Mail der Juso-Hochschulgruppe wurde von einem Menschen im Auftrag unterzeichnet, der von den ProfessorInnen zu einem Gespräch zitiert wurde. Zu beachten ist auch Patzelts Umgang mit der geäußerten Kritik. Es scheint zur gängigen Methode Patzelts zu gehören, KritikerInnen auf seiner facebook Seite zu benennen und an den virtuellen Pranger zu stellen, anstatt einen offenen Diskurs zu suchen. Hier werden Antifaschisten zu Feinden der Demokratie erklärt, vielmehr zeigt die Stigmatisierung, dass der Feind der Demokratie die bürgerliche Klasse selbst ist. Antifaschismus ist eine Pflicht, daher solidarisieren wir uns nochmals mit der Juso-Hochschulgruppe Halle.

SDS.Die Linke MLU



1 Eine ausführliche inhaltliche Kritik zur wissenschaftlichen Unhaltbarkeit der Pegida-Studie Patzelts findet ihr hier: http://www.publikative.org/2015/06/01/die-methode-patzelt-anmerkungen-zu-patzelts-auseinandersetzung-mit-pegida/
2 http://wjpatzelt.de/?p=84
3 Nur Varwick wird hier direkt genannt, weil er in seiner Mail einer Veröffentlichung zustimmte.
4 Gesellschaft: Der neue Totalitarismus. In: Junge Freiheit am 4. Februar 2012.
5 http://www.stern.de/panorama/pegida-studie-klar-rechts-aber-ueberwiegend-nicht-rechtsradikal-2195643.html
6 Hierfindet ihr unseren ersten offenen Brief gegen die Militarisierung des IB-Lehrstuhls durch Prof. Varwick: http://sdsmlu.blogspot.de/2014/07/offener-brief-gegen-die-militarisierung.html und den zweiten hier: http://sdsmlu.blogspot.de/2014/08/offener-brief-ii.html

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Kipping: Grundeinkommen schafft keine "Insel der Glückseligen"

Prüfungen und Noten sind falsch

Redebeitrag Schnellroda 24.09.2023